Interview mit Hundepsychologe Marc Ebersbach

Interview mit Hundepsychologe Marc Ebersbach

Einblicke vom Experten

Du fragst dich, wie du das Verhalten deines Hundes besser verstehen und effektiv auf seine Bedürfnisse eingehen kannst? In unserem ausführlichen Interview verrät Hundepsychologe Marc Ebersbach einige Tipps, um Hunde sicher an neue Umgebungen heranzuführen, souverän in stressigen Situationen zu bleiben und problematisches Verhalten frühzeitig zu erkennen. Erfahre, warum Hundepsychologie oft der Schlüssel zu einer entspannten und glücklichen Mensch-Hund-Beziehung ist.

Lies weiter und entdecke wertvolle Einblicke und praktische Ratschläge für ein harmonisches Zusammenleben mit deinem vierbeinigen Freund!

Marc Ebersbach, Hundepsychologe aus Kassel, posiert mit Hund Mojo als Selfie vor der Grimmwelt Kassel.

1. Was hat dich dazu bewegt dich auf die Arbeit mit Problemhunden zu spezialisieren?

Ich verwende lieber den Begriff “verhaltensauffällige Hunde” anstelle von “Problemhunde”. Alles begann mit meiner Hündin Yasha. Bevor sie zu mir kam, lebte sie bei einem Pärchen, das mit ihrer Erziehung überfordert war. Yasha war schreckhaft, ängstlich, unsicher und überfordert – keine guten Voraussetzungen für ein Hundeleben in Berlin. Es war erschütternd zu sehen, welche Ängste sie hatte. Sie versuchte, jeder unangenehmen Situation auszuweichen, zog dabei stark an der Leine oder bellte Menschen und andere Hunde aus der Ferne an. Ein Versuch mit einem Hundetrainer schlug fehl. Als ich ihn konkret fragte: „Was kann ich tun, damit das Stadtleben für sie erträglicher wird?“, war seine banale Antwort: „Lass sie etwas mehr am Grünstreifen schnüffeln.“ Mir wurde klar, dass es so nicht weitergehen konnte, und entschloss mich, ein Studium in Hundepsychologie zu beginnen. Kapitel für Kapitel konnte ich Yashas Ängste und Sorgen lindern.

2. Was sind die häufigsten Ursachen für Verhaltensproblemen bei Hunden, die du in der Praxis siehst?

1. Ursache: Biografie

Durch traumatische Erlebnisse, besonders bei Tierschutzhunden, z. B. Straßenhund, wird rabiat eingefangen, in ein Shelter mit mehreren Hunden gepackt, dann durch die halbe Welt gekarrt, haben dann häufig Probleme mit Menschenkontakt, Stressreizen und urbanen Umgebungen.

2. Ursache: Mensch

Falsch erziehen, falsch führen, kein Interesse für die Sprache der Hunde! Menschen erziehen leider immer noch zu häufig die Hunde falsch, sie erziehen die Hunde an der Rasse und ihren spezifischen Bedürfnissen vorbei. Des Weiteren verstehen viele Menschen die Kommunikation der Hunde, ferner agieren sie mit Hunden wie mit Menschen ohne zu hinterfragen „was und wie versteht mein Hund eigentlich?“. Oft verstehen die Hunde nicht, was wir von ihnen wollen und oft passiert es, dass aus Kleinigkeiten dann große Probleme werden, da die Hunde nicht artgerecht erzogen werden.

Bestes Beispiel:

Der Leinenruck = Hund zieht, weil er zu einem Kind möchte und bekommt einen Ruck, er versteht den Ruck aber nicht, sondern er verbindet nur das was er fühlt mit dem was er sieht. Hund fühlt Schmerz, sieht das Kind → wird dann falsch verknüpft und kann in Aggression umschlagen.

3. Ursache: Keine Differenzierung zwischen Normal- und Stressverhalten

Es gibt Hundetrainer, die solche Verhalten mit einer Methode versuchen zu trainieren, das ist aber ein falscher Ansatz, denn die Ursache der Verhalten sind schon unterschiedlich.

Beispiel:

Ein Spitz zeigt im eigenen Garten territoriales Verhalten = Bellt am Gartenzaun. Das ist ein Normalverhalten, weil dies eine rassespezifische Eigenschaft ist. Hier gibt es zwei Möglichkeiten – erwünschtes Normalverhalten und unerwünschtes Normalverhalten:

Erwünscht = Das Bellen des Hundes wird geduldet, da es die Einbrecher fernhält

Unerwünscht = Das Bellen des Hundes ist lästig.

Hier kann durch klassisches Hundetraining (Konditionierung, Grenzen setzen ein neues Verhalten beigebracht werden). Jedoch muss man hier wieder auf die Ursache schauen. Wenn der Spitz zum Beispiel bellt, weil er beispielsweise mal gebissen wurde oder von einem Menschen getreten wurde, spricht man nicht mehr von einem Normalverhalten, sondern vom Stressverhalten (z. B. der Hund hat Angst). Hier ist ratsam dem Hund erst mal die emotionale Belastung zu nehmen, bevor man ihm über Konditionierung ein neues Verhalten beibringt.

3. Welche Ratschläge würdest du neuen Hundebesitzern geben, um problematisches Verhalten von Anfang an zu vermeiden?

  1. Kommunikation zwischen Mensch und Hund lernen: Wie kommunizieren Hunde? Was verstehen sie überhaupt von den Menschen? Die Körpersprache der lernen
  2. Sich mit der Rasse und ihren Bedürfnissen ausgiebig beschäftigen
  3. Sich ehrlich fragen, ob man liebevoll und konsequent ist und so agieren und kommunizieren kann, dass der Hund einen versteht.
  4. Eine zweite ehrliche Selbstreflexion: Ist der eigene Alltag überhaupt entspannt? Viele haben einen stressigen Alltag und erwarten dann, dass der Hund ständig entspannt ist und sich jeder Situation anpasst.
  5. Zeigt der Hund Verhaltensauffälligkeiten? Dann sofort Hilfe suchen. Finde jemanden, der für das spezifische Problem eine spezialisierte Ausbildung hat.
  6. Nicht auf Youtube und Instagram hören, alles ist individuell und pauschale Ansätze gibt es nicht. Social Media verleitet dazu, aber das ist der falsche Ansatz

4. Was sind deine Top-Tipps, um sicherzustellen, dass ein Hund in neuer Umgebung ruhig und fokussiert bleibt?

Egal wann und wo, den Hund erst mal ankommen lassen, sodass die Reize verdaut werden können.

Besonders beim Einzug eines Tierschutzhundes oder Welpen:

  • Achtet auf die Körpersprache,
  • Hund nicht gleich der ganzen Familie vorstellen,
  • nicht alle Menschen den Hund streicheln lassen,
  • kurze Runden zum Lösen, bestenfalls an der gleichen Ecke und nicht überall neu. Keine 2 h Gassirunden.
Marc Ebersbach, Hundepsychologe aus Kassel, und Angelina Link kuscheln mit Hund Mojo nach einem erfolgreichen Training an der Grimmwelt Kassel.

5. Wie bleibe ich selbst entspannt und souverän, besonders in brenzligen Situationen?

Hier gibt es keine pauschale Antwort, aber da muss man ein wenig an sich selbst arbeiten. Allgemein gilt:

  • Wird dein Hund unruhiger, werde ruhiger!
  • Läuft dein Hund weg, lauf ihm nicht hinterher. Beweg dich von ihm weg und ruf ihn freundlich!

Versuche, aus jeder Situation eine Lernerfahrung mitzunehmen. Es gibt immer zwei Sichtweisen. Lerne aus den kleinen Fehlern und übernimm die Verantwortung. Sage nicht „Mein Hund ist blöd“, sondern frage dich, wie du ihn davor bewahren kannst, in solchen Stress zu geraten.

6. Wenn du einen Wunsch frei hättest, welchen Wunsch würdest du dir in deinem Themengebiet Hundeverhalten und -psychologie erfüllen?

Hier sind meine persönlichen Wünsche, die mir sehr am Herzen liegen:

  1. Ich wünsche mir, dass nicht jeder Mensch sich einfach so einen Hund anschaffen kann. Vorab sollte eine Eignungsprüfung stattfinden, bei der allgemeines Wissen über Hunde und rassespezifisches Verhalten abgefragt wird. Jeder Interessent sollte nachweisen können, dass er in der Lage ist, den Hund artgerecht zu halten.
  2. Provokativ und vielleicht unpopulär, aber ich wünsche mir, dass das aktuelle Tierschutzkonzept auf EU-Ebene verboten wird. Ich bin der Meinung, dass jedes Land seinen Tierschutz selbst regeln sollte. Obwohl es ein harter Einschnitt wäre, würde dies das Leiden vieler Hunde drastisch reduzieren. Leider ist Tierschutz in vielen Ländern zu einem Geschäftsmodell geworden. In meiner Arbeit treffe ich oft auf stark traumatisierte Tierschutzhunde, was mich dazu bringt zufragen: “Muss jeder Hund nach Deutschland kommen?” Und noch wichtiger: “Ist dieser Tierschutzhund wirklich gut beraten, bei einem Menschen zu leben?”
Marc Ebersbach, Hundepsychologe aus Kassel, posiert mit Hund Mojo als Selfie vor der Grimmwelt Kassel.
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